Wenn sie ihr Leben nüchtern betrachtet, könnte die Protagonistin des Stücks eigentlich sehr zufrieden sein. Sie ist Mitbegründerin eines erfolgreichen Start-Ups, führt eine langjährige Beziehung und hat gute Freunde aus der Schulzeit. Und doch stellt sich nicht nur auffallend wenig Glück ein, vielmehr wird sie zerfressen von unzähmbaren Ängsten: die Furcht, nicht gut genug zu sein im Job. Die Sorge, ihr Partner könnte sie verlassen. Die Angst, man könnte sie als Hochstaplerin entlarven. Die Panik vor gesellschaftlichen Anlässen, bei denen sie immer das Gefühl hat, nicht die richtigen Worte zu finden in den raffinierten Sprachspielen der bürgerlichen Welt.
In dem Versuch, diesen Angstzuständen auf den Grund zu gehen, windet sich der neue Text von Peer Mia Ripberger in Spiralen durch verschiedene Bewusstseinsebenen. Die Inszenierung ist eine audiovisuelle Einladung, über die eigenen Ängste nachzudenken, ein Spiel mit Sprache und lyrischen Formen, ein immerwährender Gedankenstrom, aus dem die Hauptfigur des Stückes keinen Ausweg findet.
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„In Peer Mia Ripbergers Text ‚Wie ein zarter Schillerfalter‘ tanzt die Hauptfigur Sarah in den Suizid. Wie feiner Sand zerrinnt ihre Sprache in einer Wirklichkeit, die sie nicht begreift: ‚Verwundet im Konversationskrieg. Argumentationssplittergranate. Leere Worthülsen überall.‘ Sprachgewaltig zeigt der Regisseur und Autor die Zerrissenheit einer jungen Frau, die er in multiple Persönlichkeiten zerlegt. Immer wieder kratzt er die poetische Textfläche mit dramatischen Dialogen auf.“ |
„Es ist ein sogkraftwirkendes Zusammenspiel von 4 Schauspielerinnen und Schauspielern, einer fulminanten Musik und verschiebbaren raumhohen Videowänden, als würden sie mitspielen. Das Publikum war hin und weg.“ Bertram Schwarz, SWR am 25.10.2020 |
„Die neue Inszenierung „Wie einzarter Schillerfalter“ (…) funktioniert auf mehreren Ebenen: visuell, choreographisch, durch die mitunter fast überbordende, rhythmisierte, auch poppig reimende Sprache.“ (…) Auch der Sound formte das Bühnengeschehen und konnte sich derart steigern, als würde er einen ansaugen, sogar noch jenseits der Bühne.“ |
„Peer Mia Ripberger hat bildersatte Verse geschrieben, die lyrisch geschlossen dahinfließen (…) Die große darstellerische Leistung dieses Abends liegt bei Anaela Dörre, die immer wieder eindrucksvoll zur Hauptfigur Sarah wird, ehe diese sich auflöst in ein inneres Ensemble, Mario Högemann, Roman Pertl, Katharina Rehn zu den Stimmen ihrer aufgespaltenen Persönlichkeit, den Stimmen von außen werden. (…) die Schauspieler geben Emotionen starken körperlichen Ausdruck, winden sich, krümmen sich, kämpfen. (…) Das Fluide, als Bild des Todes und der Wandlung, bestimmt das Stück durchgehend. Peer Mia Ripberger Stück, die Schizoanalyse einer jungen Frau zwischen Start-up und Hölderlin, beeindruckt und endet ambivalent. Ein Vers bleibt besonders im Gedächtnis, weil er ganz zur aktuellen Lage zu passen scheint: „Der Frühling war immer meine Lieblingsjahreszeit / doch in diesem Jahr blüht überall nur die Angst.““ Thomas Morawitzky, Reutlinger General Anzeiger am 26.10.2020 |
„Im ehemaligen Löwen-Kino, das die Stadt Tübingen im Sommer zur großen Bühne umgebaut hat, entfaltete der Co-Intendant des Zimmertheaters mit dem Ensemble einen poetischen Totentanz, der ästhetische Grenzen sprengt. (…) Die Leichtigkeit, mit der Ripberger vom Leben und Sterben der fragilen Gestalt schreibt, berührt zutiefst. (…) Die poetische Sprache kratzt Ripberger immer wieder mit dramatischen Elementen auf. Das klingt unruhig, ungestüm. (…) Anaela Dörre wächst in der Rolle der jungen Frau, die am Leben zerbricht, über sich hinaus. Mit grandiosem Körpertheater zeichnet die junge Spielerin den seelischen Schmerz einer Gescheiterten nach, die dem Druck und den Mobbing-Attacken der Leistungsgesellschaft nicht mehr Stand halten kann. (…) Durchweg überzeugt das experimentierfreudige Ensemble auch in den Chorszenen, die Ripbergers bildgewaltige Sprache schön zum Klingen bringen. (…) Am neuen Spielort zeigt sich die Entwicklung des jungen Zimmertheater-Ensembles. Längst haben sich die Künstlerinnen und Künstler von der Performance zum Gesamtkunstwerk bewegt.“ |